„Hallo Luther“ statt Halloween

Am Reformationstag führt die evangelische Kirchengemeinde in Bieber in der Laurentiuskirche das Historienspiel „Das Zürcher Wurstessen“ auf

Pressemitteilung der Gelnhäuser Neue Zeitung (GNZ) vom 02. November 2022

(hg) Der Reformationstag am 32. Oktober ist für die evangelischen Christen von jeher ein besonderer Tag und wird in der evangelischen Kirchengemeinde seit etlichen Jahren mit einem besonderen Gottesdienst gefeiert. Hier spielt auch die besondere Geschichte der Bieber Kirchengemeinde eine Rolle in deren Verlauf es in der kleinen Spessartgemeinde über viele Jahrhunderte zwei evangelische Gemeinden gab. Eine lutherische und eine durch Zugang von Bergleuten größer gewordene reformatorische Gemeinde. Nach den napoleonischen Kriegen kam es 1818 zur Hanauer Union. Die beiden evangelischen Konfessionen wurden dadurch zu der unierten evangelischen Kirche vereint. „Es gab fortan nur eine evangelische Kirchengemeinde in Bieber, so besteht sie bis heute fort. Die Einflüsse lutherischer und reformatorischer Bestandteile sind im kirchlichen Leben in Bieber nach wie vor zu finden. Beide Theologien gehören zur Identität in Bieber dazu. Sie sind Boden, auf dem diese Kirchengemeinde noch heute fußt und lebt und eine Heimat für viele von uns bietet“, erklärte Lektorin Elke Lenz am Ende ein es geschichtsträchtigen Gottesdienstes.

Steinerne Zeugen der Vergangenheit sind die beiden Kirchenbauten der Gemeinde. Die Untere Evangelische Kirche und die Laurentiuskirche auf dem Römerberg. In letzterer begrüßte Kirchenvorstand Martin Logsch die Gemeindemitglieder zum Reformationsgottesdienst. „Wir feiern heute Reformation, wir sagen Hallo Luther und nicht Halloween. Dabei sind wir in der ältesten Kirche von Bieber, an einem Ort, mit allem Flair vergangener Zeiten. In dieser Kirche wurde 1568 in Bieber die Reformation eingeführt! Heute werfen wir unseren Blick aber nicht nach Wittenberg, wohin Martin Luther vor genau 500 Jahren, nach seiner Ächtung und Verbannung durch den Reichstag in Worms wieder zurückkehrt. Heute werfen wir den Blick zu unseren Schweizer Nachbarn nach Zürich. Dort läuft etwas anderes. Man nimmt Luthers Bewegung schon zum Vorbild, aber die Menschen sind aufgebracht über die strengen Vorschriften und Verbote der Kirche. Wir laden sie heute ein, zu einem Reformationsspiel das Alexander Weigand anlehnend an historische Quellen, für uns geschrieben hat. ES berichtet vom einem provokativen Fastenbrechen, das als Züricher Wurstessen in die Geschichte einging“, kündigte Logsch das Historienspiel an.

Unter der Orgelempore wird es hell. Die Geschehnisse blicken in das Jahr 1522 und in jener Stube  von Christoph Froschauer, Buchdrucker und Verleger, wieder in der Huldrysch Zwingli mit Leo Jud, Reformator und Wegbegleiter Zwinglis, Klaus Hottinger, Bilderstürmer und erster reformatorischer Märtyrer der Schweiz, sowie Lorenz Hochrütinger, Anhänger der Täuferbewegung, an einem voll gedeckten Tische zusammensitzen. Im März 2022 hatte Zwingli seine ersten reformatorischen Schriften gegen das Fasten veröffentlicht.

Aus dem hinteren Teil der Kirche ertönt lautes Schimpfen. Drei aufgebracht Bürgerinnen kommen vom Markt und sammeln sich vor dem Haus von Froschauer. „Überall wo man guckt sieht man nur Weizen, Erbsen Bohnen oder Kohl“ empört sich die Erste.  „Wir fressen wie die Schweine. Dreckiges Wasser predigen, aber den edelsten Wein saufen, so wie unser Herr Bischof“, fügt ihre Nachbarin an.

Zwingli kommt hinzu und versucht zu beruhigen. „Wieso sollen wir hungern? Sagen sie Herr Pfarrer, wo steht in dieser Schrift geschrieben, das das Volk Gottes hungern soll? Wieso darf der Herr Bischof Fleisch in Massen essen, während wir aus einem Trog mit den Schweinen essen“, stellt ein Hinzukommender in Frage.  „Nirgends. Wir sind freie Christenmenschen und nur die Schrift zählt“, erklärt Zwingli, der nun von Froschauer gebeten wird in sein Haus zu  kommen. Dort wird sich weiter ereifert. „Die Freiheit des Christen ist eine frohe Botschaft und die Gnade Gottes. Sie ist wichtiger als das Verbot von Wein und Fleisch, welches eine Erfindung der Bischöfe ist. Nicht der Hass auf den Papst oder die Bischöfe und auch ein frevelhaftes Verhalten, sondern ein gottgefälliges Leben auf Grundlage der Heiligen Schrift soll unser Leben bestimmen. Du hast die Wahl, als freier Christenmensch. Lass aber auch deinem Nächsten diese Wahl und reg dich nicht auf, wenn sie es anders machen als du“, erörterte Zwingli sein reformatorischesTestament weiter.

Das Züricher Wurstessen wurde als symbolische Demonstration der evangelischen Freiheit im von Sinne Zwinglis Predigten und Luthers Bibelverständnis verstanden. Der große Rat der Stadt und nicht die Kirche, verurteilte zunächst den Bruch des Fastengebotes und ordnete eine Untersuchung an, als das Wurstessen publik wurde, ein geschickte Zug, denn die beteiligten Männer wollte selbstverständlich, das es publik wird. Das Wurstessen bei Froschauer wurde dadurch ein wesentlicher Baustein der Reformbemühungen Zwinglis.

Als Darsteller fungierten Henrik Neeße als Zwingli, Alexander Weigand als Leo Jud, Martin Logsch als Klaus Hottinger, Günther Lenz als Lorenz Hochrütinger und Bernd Schmidt als Christoph Froschauer. Die Bürgerinnen vertraten Leika Kissner, Elke Lenz und Nicole Back-Schmidt. Am Ende des Stückes erhielten die Akteure den verdienten Applaus und die Gottesdienstbesucher wurden mit vielen informativen Einblicken in eine stürmische Zeit und dem Segen entlassen.

Vor den Kirchentüren hatte der Förderkreis Laurentia seinen Stand aufgebaut, wo bei Würstchen und heißen und kalten Getränke noch lange über das Geschehen diskutiert wurde.

Der Erlös aus dem Verkauf der Speisen und der Kollekte werden für die weitere Renovierung der Laurentiuskirche verwendet.

Führen die Besucher in die Anfänge der Schweizer Reformationsbewegung im 16. Jahrhundert: Die Mitwirkenden des „Zürcher Wurstessens“

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