„Die christlichen Fundamente vor Ort gehen tiefer als die des Gebäudes.“
Dekan Wilhelm Hammann und Pfarrerin Sonja Dürmeier entwidmen die Martin-Luther-Kirche in Aufenau
Ein Morgen voller Emotionen – so kann ein Fazit des Gottesdienstes am vergangenen Sonntag in der Aufenauer Martin-Luther-Kirche lauten. Eine volle Kirche, Jung und Alt, ehemalige und aktuelle Ehren- und Hauptamtliche sowie Amtsträger von Stadt, Kirche und Gesellschaft versammelten sich in der Kirche – um ein letztes Mal dort Gottesdienst feiern zu können. Neben dem Bürgermeister der Stadt Wächtersbach, der Ortsvorsteherin von Aufenau, Mitgliedern der Kirchenvorstände Aufenau, Wächtersbach und auch Bieber fanden sich viele Gemeindemitglieder und langjährige Weggefährte in der Kirche zusammen. Die Aufenauer Martin-Luther-Kirche wurde entwidmet, verkauft und steht nun zum Abriss bereit.
Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, mit vielem Für und Wider sowie einer Menge Emotionen – nach der Auflösung der Pfarrstelle in Aufenau stand nun auch der Verkauf der Gebäude und abschließend die Entwidmung der Kirche an. Pfarrerin Sonja Dürmeier, bis zu abschließenden Auflösung der Pfarrstelle zum 01. Januar 2024 Vakanzvertretung, eröffnete und hielt den Gottesdienst; die Predigt hielt der Dekan des Kirchenkreises Kinzigtal, Wilhelm Hammann. „Die Fundamente unserer Kirche gehen tiefer als sie erscheinen. Sie gehen tiefer als die Mauern unserer Gebäude. Denn unser Fundament ist Jesus Christus selbst“, so Pfarrerin Dürmeier.
Es sei selbstverständlich kein einfacher Abschied, so waren sich alle sicher. 1965 wurde die heutige Martin-Luther-Kirche als evangelische Kirche gebaut, nachdem sich die Protestanten und Katholiken viele Jahrhunderte die im Ortskern befindliche und heutige katholische Pfarrkirche simultan „teilten.“ Viel Arbeit, Zeit und vor allem Geld sowie Spenden flossen in den Bau – nach dem Zweiten Weltkrieg keine Selbstverständlichkeit, mangelte es doch überall an Allem. „In dieser Kirche wurde gezweifelt und gebetet, es wurde bei Hochzeiten, Taufen und Konfirmationen gefeiert und bei Beerdigungen gemeinsam getrauert. Diese Kirche war und ist eine zweite Heimat für viele Menschen hier.“
Foto: Ein letztes Mal weht die Fahne vor der Martin-Luther-Kirche in Aufenau
Dekan Hammann zeigte in seiner Predigt den für die Kirche manchmal harten, aber immer notwendigen Wandel auf: Zu Beginn der Christenheit wurden christliche Gemeinden verfolgt, Anhänger der damals jüdischen Sekte verunglimpft und getötet, die Gottesdienste mussten im Geheimen stattfinden. Erst durch die Erhebung zur Staatsreligion im 4. Jahrhundert veränderte sich die Situation – und auch erst jetzt fing der Kirchbau richtig an. Immer wieder hätten äußere und innere Rahmenbedingungen sowie Spannungen – (Welt-)Kriege oder die Säkularisation – dazu geführt, Bestehendes aufgeben zu müssen. Auch dieser Kirchbau müsse nun aufgegeben – aber das bedeute kein Ende der christlichen Gemeinschaft vor Ort, so Hammann.
Nachdem die Kirchenvorstandsmitglieder, darunter auch die zukünftig zur Kirchengemeinde Bieber gehörigen Ehrenamtlichen Christine Staab, Silke Krack und Gabriele Seitz, sowie langjährige Haupt- und Ehrenamtlichen für deren Arbeiten in und um des Gebäudes gewürdigt wurden, begann der wirklich herzergreifende Teil des Gottesdienstes: Die sakralen Gegenstände, darunter das Altarkreuz, die Bibel, Kelch und Paten für das Abendmahl, Osterkerze sowie Tauffschale, wurden von den Mitgliedern des Aufenauer Kirchenvorstandes aus der Kirche hinausgetragen. Sie sollen neue Verwendungen in den einzelnen Ortsteilen finden. Ein leerer Altarraum blieb zurück und mit Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten treu und still ergeben“, bei dem alle Besucher lautstark mitsangen, wurde das Ende des Kirchenbaus nach 58 Jahren besiegelt. Pfarrerin Sonja Dürmeier steckte die Altarkerzen aus. Die Aufenauer Martin-Luther-Kirche – sie ist entwidmet.
Am Ausgang erhielten alle Besucher neben einer zusammengestellten Collage des Gotteshauses auch die Möglichkeit, sich Glasscherben der bunten und für die Kirche so charakteristischen Kirchenfenster als Erinnerung mitzunehmen.
Pfarrerin Sonja Dürmeier bedankt sich bei den ehrenamtlichen Kirchenvorstandsmitgliedern aus Aufenau für ihr langjähriges Engagement