„Das Geld ist in der Hospizarbeit sehr gut angelegt“
4. Church meets Äbbelwoi bei der Kelterei Senzel in Roßbach
Die Einladung zu „Church meets Äbbelwoi“ prangte in den vergangenen Wochen auf vielen bunten Plakaten, die in Bieber und Umgebung aufgehängt waren. „Wie? Kirche trifft auf Äbbelwoi, wie geht denn so was?“ fragten Viele im Jahr 2019, als die Plakate zum ersten Mal Häuserwände zierten; viele, denen der Bembel ins Auge sprang. Die Resonanz war von Beginn der Veranstaltung an überwältigend. Viele Einwohner aus allen Altersgruppen kommen seitdem im Hof der Kelterei Senzel in Roßbach zusammen und sind am Ende voll des Lobes über eine gelungene Symbiose von Kirche und Geselligkeit.
Die Initiatoren der Veranstaltung waren sich Anfangs auch nicht so einig, wie man so etwas aufziehen sollte: „Wir hatte keine Ahnung wie wir das anstellen sollten“, erklärte Christoph Beck, einer der vier Strippenzieher. Mit im Boot waren damals Sonja Heimrich, Nils Senzel und Erika Senzel. Erste Impulse seien aus den letzten ökumenischen Glaubensgesprächen gekommen, die regelmäßig von der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde veranstaltet werden. „Wir müssen was machen, da wir so viele Kirchenmitglieder nicht mehr ansprechen. Nach Firmung oder Konfirmation gibt es zum Beispiel für Jugendliche kaum noch Angebote“, so Beck. Niklas Beck habe dann im Laufe eines Gesprächs von einem Pub in England erzählt, in dem Gottesdienste gehalten werden. „Da musste ich erst Mal lachen“, erklärte Sonja Heimrich, „die trinken Bier und singen ‚Großer Gott wir loben dich!’“ – aber die Idee hatte Fuß gefasst und am Ende hieß es: „Wir machen das mit Äbbelwoi!“
Der große Hof in der Kelterei Senzel hatte sich auch diesmal rasch gefüllt. „Herzlich willkommen zu Church meets Äbbelwoi. Wie immer bei Erika und Herbert Senzel im Hof. Heute steht symbolisch das Fahrrad im Mittelpunkt unseres Ökumenischen Gottesdienstes. Fahrrad und Roßbach, naja, das ist klar, dass dabei der Radfahrclub nicht fehlen darf. Sie waren auch sofort dabei und erklärten sich bereit, die Feier mitzugestalten. So lasst uns nun gemeinsam im Zeichen des Kreuzes beginnen“, begrüßte Christoph Beck die zahlreichen Gottesdienstbesucher, die es sich bei bestem Sommerwetter unter den Sonnenschirmen im Hof und unter dem großen Carportdach ein schattiges Plätzchen gesucht hatten.
Mit dem Lied „Vertraut den neuen Wegen“ wurde das Thema Fahrrad untermauert und es gibt „tatsächlich einen Psalm der Radfahrer“, verkündete Erika Senzel, die angelehnt an den Psalm 139 den Text vortrug. „Ob meine Straße steil ist und ich ins Schwitzen komme, ob ich dahin radle, dass es eine Lust ist. Gott du siehst meine Wege, von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“, hieß es da unter anderem.
„Neu Wege gehen und Gottvertrauen haben erleben Viele in ganz unterschiedlichen Situationen“, erklärte Regina Kriegsmann. „Die erste Ausbildungsstelle, der Auszug der Kinder, die Gesundheit lässt nach, eine Trennung steht an, eine psychische Krankheit lähmt uns und vieles mehr macht Angst. In dem heutigen Evangelium hören wir von dieser Angst. Das kennen wir auch. Wenn eine Situation unlösbar erscheint, wir hilflos sind und ohnmächtig, dann haben wir Scheuklappen und sehen nicht, dass uns Menschen und auch Gott die Hand reichen“, erklärte Kriegsmann.
Statt einer Predigt hatten sich Mitglieder des Radfahrclubs Roßbach das Fahrrad als Symbol genommen und verbanden viele Teile des Fahrrades mit dem Leben und dem Alltag der Menschen. Das Fahrrad stehe für Gleichgewicht, Balance, Aufbruchstimmung und Freiheit. So wurde der Gepäckträger das Beispiel dafür, dass es im Leben viel zu tragen gibt. „Manchmal erdrückt uns förmlich die Last. Jesus sagt, kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Mit dieser Zusage können wir in unserem Leben doch sehr gut fahren“, war hier ein Beispiel für viele andere.
„Wir haben von verschiedenen Seiten gehört und gesungen, dass es wichtig ist neue Wege zu gehen und Gott dabei zu vertrauen, dass es gut wird. Angst, Unsicherheit und Mutlosigkeit sind dabei ganz klare Wegbegleiter und wenn sie stark und bestimmt werden verhindern sie, dass wir vorankommen“, erklärte Christoph Beck vor den Fürbitten.
Mit dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis und dem Vater Unser wurde der Gottesdienst abgeschlossen und auf die Spendenaktion hingewiesen. Jetzt kam der stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises Hospiz Kinzigtal, an das der Erlös aus der Veranstaltung geht, Eugen Klöckner zu Wort.
„Ich bin sehr bewegt und habe, ehrlicherweise, die Feststellung gemacht, dass wir weniger Pfarrer haben, ist gar nicht so schlimm – was hier geleistet wurde in einem kleinen Ort ist außergewöhnlich. Immer wieder stellt sich die Frage, wie bekommen wir mehr Leute in die Kirche? Hier haben wir es. Vielen Dank an die Akteure die diesen besonderen Gottesdienst vorbereitet haben“, lobte Klöckner, bevor er auf die Hospizarbeit einging. Die Hospizarbeit werde von einer Solidarität im Main-Kinzig-Kreis getragen. Als Förderkreis müsse man jährlich 100.000 Euro dafür aufbringen. Das seien 5 Prozent der Gesamtkosten. 95 Prozent würde die Caritas tragen. „Wir können das alles leisten, weil wir ein hohes Spendenaufkommen haben“, so Klöckner, der berichtete, dass das Hospiz acht Zimmer habe und ein weiteres für Besuche von Angehörigen. Zum bevorstehenden 10-jährigen Bestehen des Hospizes würden bis dahin rund 1000 Menschen im Hospiz verstorben sein. „Aber alle unsere Patienten sage: ‚Warum bin ich nicht schon früher hierher gekommen?'“, erfahren die Gottesdienstbesucher weiter. Es werde alles versucht, den Menschen jeden Wunsch zu erfüllen. Dabei sei das Hospiz beileibe kein Trauerhaus; es werde immer wieder gelacht und es gebe viele erbauende Momente. Wenn man gehen müsse, solle man nicht zögen – diesen Dienst in Anspruch zu nehmen, dafür warb Klöckner im Namen für das Hospiz mit dem Dank für den Gottesdienst und die Spendenbereitschaft.
Nach diesem besinnlichen Teil und dem Segensgebet von Erika Senzel ging es im Anschluss bei Äbbelwoi, Kochkäse und belegten Brötchen gesellig weiter. Ein Dank ging noch einmal an die Familie Senzel, die ihren Hof und die Getränke zur Verfügung gestellt hatte, an die Bäckerei Trüb für das gute Brot, an den Hofladen Bernhard Beck sowie an die Spessartquelle, die das notwendige Wasser für einen ordentlichen gespritzten Äbbelwoi spendierte. So wurden etliche Gerippte geleert und die Küche restlos leergefuttert. „Mit so einer Resonanz und einem Ansturm hätten wir diesmal nicht gerechnet“, freute sich Erika Senzel, als sie das letzte Griebenschmalzbrot geschmiert hatte und meinte abschließend: „Gut so, das Geld, welches hier eingekommen ist, ist in der Hospizarbeit sehr gut angelegt!“