„Über 150 Besucherinnen und Besucher kamen zum Laientheaterstück“
Pressemitteilung
Während im Dorf die Halloweenkürbisse ihre flackernde Gruselbotschaft verbreiteten, brennt auf dem Weg zur Laurentiuskirche ein ganz anderes Licht: Zahlreiche Lutherkerzen erhellen den Weg zu einem Ort, der vielen seit Jahrhunderten eine ganz andere Botschaft vermittelt, nämlich Trost und Hoffnung. „Hallo Luther!“ hieß es da und nicht „Halloween“ und Kirchenvorsteher Martin Logsch konnte zum Reformationsgottesdienst zahlreiche Gläubige in der Laurentiuskirche begrüßen.
„Im Namen Gottes, an den wir glauben, darum geht es bei der Reformation. Im Namen Jesu, denn allein durch Christus werden wir selig. Im Namen des Heiligen Geistes, der uns durch die Heilige Schrift Gottes Gnade offenbart“, eröffnete Logsch den Gottesdienst in der vollbesetzten Laurentiuskirche. „Herzlich Willkommen zum Gottesdienst am Reformationstag. Draußen wird Halloween gefeiert, wir feiern heute die Reformation. Wir sagen ‚Hallo Luther‘, hier in der ältesten Kirche von Bieber, in den geschichtsträchtigen Mauern der Laurentiuskirche. Hier in dieser Kirche wurde 1568 in Bieber die Reformation eingeführt.“
Im Zentrum des Gottesdienstes stand aber nicht Bieber des Jahres 2014, sondern der Vergangenheit: „Aber heute schauen wir in das kleine Dorf Bieber im Jahr 1524, wo in unserem fiktiven Spiel Thomas Müntzer für Aufruhr unter den Bauern sorgte. Wir wollen uns erinnern an die Zeit vor 500 Jahren. Eine Zeit voll Unruhen und Krieg. Die Welt schien aus den Fugen geraten zu sein“, so Logsch.
Seit 16 Jahren begeht die evangelische Kirchengemeinde den Gedenktag der Reformation mit einem Lutherspiel. Mit Psalmen, Liedern aus der Zeit der Reformation, aber auch moderneren Liedern, die zum Thema gewählt wurden, näherte sich der Gottesdienst dem alljährlichen Reformationsspiel, das die große Erkenntnis der Reformation in einem Satz vermittelte. „Wir brauchen uns die Seligkeit nicht zu verdienen oder zu erkaufen, wir brauchen keine weiteren Fürsprecher sondern werden allein aus der Gnade vor Gott gerecht!“ Luther hat die Thesen nicht nur in Wittenberg veröffentlicht, sondern an verschiedene öffentliche Personen geschickt.
Sie wurden weitergeleitet nach Rom zum Papst. Am 3. Januar 1521, also vor gut 500 Jahren, wurde dann über Martin Luther der Bann verhängt. Auch der Kaiser sollte ihn verurteilen und die Reichsacht aussprechen, die mit der Verbrennung der Schriften, Festnahme und Überstellung des Ketzers nach Rom gipfelte. Doch es kam anders. Die Mehrheit der Fürsten, unter Führung von Luthers Landesherr Kurfürst Friedrich dem Weisen, widersetzten sich dem Verfahren. So entführte das Reformationsspiel nun in das Jahr 1524, ein Jahr, in dem die Saat der Reformation auf fruchtbaren, doch auch mit Blut getränkten Boden fiel. Martin Luther hat mit seinen Thesen die Tore der Wahrheit weit aufgestoßen, und die einfachen Bauern, die lange Zeit unterdrückt und ausgebeutet wurden, begannen ihre Rechte einzufordern. „Seht nun, wie die Ereignisse sich entfalten, wie Mut und Verzweiflung Hand in Hand gehen und wie das Schicksal einer kleinen Gemeinde zum Symbol für den Kampf einer ganzen Nation wird. Mögen die Geister des Jahres 1524 vor euren Augen erwachen und euch lehren, was es bedeutet für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen“, stimmte die Erzählerin Verena Gänzle die Gottesdienstbesucher auf das Stück ein, das von Kirchenvorsteher Alexander Weigand zum vierten Mal in Folge in Szene gesetzt wurde.
So tauchte jetzt aus dem Dunkel der Kirche Thomas Müntzer, umstrittener Prediger im Reich, auf. Er sitzt in einem einfachen Zimmer umgeben von seinen Predigten und beklagt sich über die Zukunft der Reformation. „Es ist eine Schande. Wie viele Jahre sind vergangen, seit Luther seine Thesen angeschlagen hat und was hat sich verändert? Nichts nur schöne Worte, hohle Versprechen. Der Papst thront immer noch wie ein Gott auf Erden und die Fürsten sitzen auf unseren Nacken!“ Luther habe die Möglichkeit gehabt, die Ketten der Knechtschaft zu brechen. „Aber er ist zu feige. Er schimpft gegen den Papst, aber was ist mit den Fürsten, den Grafen, die uns ausbeuten wie Tiere?“
Der Blick richtet sich nun auf die Sonntagsmesse, wo der damalige historisch überlieferte Bieberer Pfarrer Michael Hofacker gerade von der Kanzel predigt, dass jedermann seiner Obrigkeit untertan sein muss, die Gewalt über ihn hat, denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott, wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Dabei merkt er, dass die Stimmung angespannt ist. Die Unruhen sind in Bieber angekommen. „Aber Herr Hofacker, wie lange sollen wir denn alles noch ertragen? Wir haben Kinder zu ernähren, all die Abgaben, all die steuern, wie sollen wir da leben“, wirft Bauer Matthias ein, der gewillt ist, einen Aufstand in Bieber zu versuchen.
Die Geschichtsreise geht weiter nach Wittenberg. Hier sitzt Luther an seinem Schreibtisch. „Diese Bauern, diese elendigen Hunde! Sie verdrehen meine Worte, als seien sie eine Legitimation für ihren Aufruhr. Rotten und Mordgeister, nichts anderes sind sie. Als hätten sie das Recht sich gegen den christlichen Adel aufzulehnen. Gottes Vertreter, wie vermessen! Diese aufrührerischen Menschen müssen zerschmettert werden, wie man einen Tollhund totschlägt! Sie wollen Gerechtigkeit, aber deren Weg bedeutet nichts als Zerstörung und Chaos. Wenn sie nicht gestoppt werden, wird das ganze Land in Flammen stehen!“ Und es stand in Flammen. Bauer Matthias beklagt, dass Luther die Bauern fallen lässt wie ein Stein. Da hieß es, „zur Hölle mit Luther!“ Der Bauernkrieg ist sodann in Bieber angekommen und Unbekannte schlugen in Bieber zu, um ein Zeichen gegen die papistische, die katholische Kirche, zu zeigen. Sie legten Feuer am Haus Gottes auf dem Römerberg. Die aufständischen Bauern, durch Thomas Münzer angestachelt, machen sich dann auf in Richtung Gelnhausen.
Das Ende. Es ist still geworden im Biebergrund, in Hessen, im ganzen Reich. Nachdem Müntzer mit vielen Bauern aus Bieber, und den umliegenden Dörfern Wiesen und Bad Orb von Hanau bis Schlüchtern Richtung Thüringen zog, kamen nur wenige lebend zurück. Michael Hofacker, der als Pfarrer für das Seelenheil seiner Schafe im Biebergrund zuständig ist, hat viele Tote unter seiner Gemeinde zu verzeichnen. Der Bauernkrieg, diese Aufstände im ganzen Land, lassen ihn sprachlos zurück. „Trotz der Niederlage blieb der Bauernkrieg ein bedeutendes Zeichen für das frühe Aufbegehren gegen soziale Ungerechtigkeit“, hieß es im Nachwort.
Martin Luther wurde von Martin Logsch dargestellt; Thomas Müntzer vom Bad Orber Prädikanten Henrik Neeße; Pfarrer Hofacker von Michael Würz; Bauer Matthias von Museumsleiter Peter Nickel; Gisela, eine revolutionäre Dorfbewohnerin, von Lisa Herzog; Margarethe von Elke Lenz; Graf Philipp II von Hanau von Martin Logsch; Elisabeth, eine besorgte Dorfbewohnerin, von Leika Kißner; sowie der Soldat von Johanna Kißner.
Am Ende des Stückes erhielten die Darsteller sowie für Alexander Weigand in Abwesenheit den wohlverdienten Applaus und mit dem Lied, „Verleih uns Frieden gnädiglich“ sowie dem Segen ging ein besonderer Gottesdienst zum Reformationstag zu Ende.
Die Kollekte war für die Renovierung der Laurentiuskirche bestimmt und nach dem Gottesdienst wurde die Gemeinde mit einem kleinen Imbiss und Getränken durch die Mitglieder des Förderkreis Laurentia bewirtet.